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Immergrün, Apocynaceae.

Name:

Vínca mínor L. (= Pervinca minor Scop.). Gemeines Immergrün. Französisch: Petite pervenche; englisch: Common Periwinkle; italienisch: Pervinca; dänisch: Singrön; norwegisch: Gravmyrte; polnisch: Barwinek; russisch: Barwinok; schwedisch: Singrön; tschechisch: Brčal menší; ungarisch: Billing.

Verbreitungsgebiet

Mittel- und Südeuropa und in Kleinasien.

Namensursprung:

Vinca pervinca ist der Name des Immergrüns bei Plinius; eine Auslegung leitet den Namen vom lateinischen vincire = umwinden ab. Auf die immergrünen Blätter beziehen sich die Namen Immergrün und Singrün (der Partikel sin = groß, dauernd, immer) und viel mundartliche Bezeichnungen.

Volkstümliche Bezeichnungen:

Singräun (Braunschweig), Si(n)gri (Bayern: Lechrain), Sigerer (Oberbayern: Murnau). Wintergrün (besonders im Ober- und Mitteldeutschen); Mädepalme, Maipalm, Wilde Palm (Niederrhein); Judenmyrte = unechte Myrte (Ostpreußen), Grabimmergrün (Schwäbische Alb), Totenblätter, -kraut (Eifel), Toteblüemli (alemannisch), Toteveieli (Basel).

Botanisches:

Die blühenden Sprosse des ausdauernden, immergrünen, 15-20 cm hohen Halbstrauches mit niederliegender Grundachse stehen aufrecht, während die nichtblühenden am Boden liegen. Die immergrünen, lederartigen Blätter sind länglich-lanzettlich. Die blattachselständigen Blüten sind lang gestielt. Sie haben einen fünfteiligen Kelch mit lanzettlichen Zipfeln, der kürzer ist als die Röhre der Blumenkrone. Diese ist hellblau, hat eine fünfkantige Röhre und fünfzipfligen Saum sowie fünf Staubgefäße und zwei Fruchtknoten. Die Blüten entfalten sich im April oder Mai.

Vinca minor ist in Kleinasien, Süd- und Mitteleuropa als Buchenbegleiter anzutreffen. Ihre Ursprünglichkeit ist jedoch oft sehr schwer festzustellen, da sie vielerorts als Charakterpflanze verlassener Wohnstätten anzusehen ist. Sie bevorzugt Kalkböden.

Geschichtliches und Allgemeines:

Das Immergrün war schon im Altertum als Heilpflanze bekannt. Dioskurides, der es Polemion nennt, schreibt: „Seine Blätter und Stengel, mit Wein getrunken, beschwichtigen Durchfall und Dysenterie, mit Milch und Rosen oder Zypergrassalbe im Zäpfchen eingelegt, heilen sie Gebärmutterleiden. Gekaut lindern sie auch Zahnschmerzen und helfen aufgelegt gegen den Biß giftiger Tiere. Man sagt, daß sie, mit Essig getrunken, die von der Aspisschlange Gebissenen heilen.“

In Frankreich erfreute sich das Immergrün auch einer sehr hohen Wertschätzung. So schrieb die berühmte Frau von Sevignée 1684 an ihre Tochter, die an einer Brustentzündung litt, sie solle nur das allerdings recht bittere und grüne Immergrün dagegen verwenden, das sei entschieden das beste Mittel. Der Volksglaube hat verschiedene Bräuche mit der Pflanze verknüpft, so werden in den Alpen geweihte Immergrünkränze gegen Blitzgefahr an den Fenstern aufgehängt; in anderen Gegenden heißt es, daß das Kraut von den Hexen zu bösem Zauber gegen das Vieh und zur Erweckung von Haß unter Eheleuten mißbraucht wird. Ferner soll ein Immergrünkranz die Toten vor Verwesung schützen.

Wirkung

Von LonicerusLonicerus, Kreuterbuch, 1564, S. 251. wird Vinca minor vorwiegend gegen Erkältungen, aber auch als Diuretikum, gegen Geschwülste und Ohrgeschwüre empfohlen, während es bei

MatthiolusMatthiolus, New-Kreuterbuch, 1626, S. 326. als Hämostatikum und Adstringens, z. B. bei Blutspeien, Nasenbluten, übermäßiger Menstruation, Roter Ruhr und Diarrhöe, weiterhin bei Neigung zu Abort, Uterusschmerzen, Bissen giftiger Tiere und Zahnweh Anwendung findet.

Gegen Blutflüsse und als „anziehendes Wundkraut“ beschreibt es auch v. Hallerv. Haller, Medicin. Lexicon, 1755, S. 1323..

Hufelands Mitarbeiter HartmannZit. i. Hufelands Journal, Bd. 49, I., S. 54. führt es als Mittel gegen Weichselzopf an.

Nach PetitPetit, La pervenche et son action hémorragique, Courrier médical, 1922. soll es erfolgreich bei Tuberkulosen im Stadium der Hämoptise, nach LeclercLeclerc, Précis de Phytothérapie, S. 144, Paris 1927. bei Sumpffieber, Enteritiden und in Verbindung mit Eisenpräparaten bei Chlorose angewandt werden.

Die HomöopathieSchmidt, Lehrb. d. hom. Arzneimittell., S. 336. bedient sich der Vinca minor gegen Blutungen aus Nase und Uterus, Ekzeme mit übelriechendem Sekret und andere Dermatopathien.

In der Volksmedizin wird sie heute noch als blutreinigendes, diuretisch und antikatarrhalisch wirkendes Mittel gebrauchtSchulz, Wirkg. u. Anwendg. d. dtsch. Arzneipfl., S. 141..

Der in der Pflanze enthaltene Gerbstoff und ein Bitterstoff, Vincin, werden für die Heilwirkung maßgebend seinThoms, Handb. d. pr. u. wiss. Pharm., Bd. V, S. 1471..

Das Vincin dürfte mit dem von RutishauserRutishauser, Bull. Sci. pharmacol., 39, 475, 1932. beschriebenen, bitter schmeckenden, adstringierenden, geruchlosen, gelb gefärbten Glykosid „Vincosid“ identisch sein. Eine asiatische Verwandte, Vinca pubescens, enthält AlkaloideOrechoff, Gurewitsch u. Norkina, Arch. Pharm., 272, 70, 1934., von denen bisher 3 isoliert wurden.

Bei Untersuchungen über Toxingehalt wurden in Vinca minor größere Mengen von ausfällbarem Eiweiß von sehr geringer Giftigkeit festgestelltNach eigenen Untersuchungen..

Verwendung in der Volksmedizin außerhalb des Deutschen Reiches (nach persönlichen Mitteilungen):

Dänemark: Innerlich gegen Blähungen, Wassersucht, Leber- und Nierenleiden; äußerlich gegen Ohrenschmerzen.

Norwegen: Gegen innere Blutungen.

Ungarn: Als stopfendes und blutstillendes Mittel, gegen Halsschmerzen.

Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:

Hämorrhagien aus Nase und Uterus, Diarrhöen, Lungen- und Darmverschleimung, Entzündungen der Mund- und Gaumenschleimhäute wie Stomakake (hier Spülungen) und Struma (als Umschlag neben interner Behandlung) sind Indikationen, die in den Wirkungsbereich von Vinca minor fallen.

Weiter beeinflußt sie mit teilweise recht gutem Erfolge nässende Exantheme, besonders des Kopfes. Man gibt sie bei Plica polonica (äußerlich Ungt. Hydrarg. praecipit. alb. 10%), Ekzemen mit übelriechender Sekretion und Krustenbildung, insbesondere der Kinder, nässenden, juckenden und brennenden Ausschlägen und Crusta lactea. Doch wird von verschiedener Seite auch die Wirkung auf Ekzeme und Plica polonica ohne Quecksilbersalbe abgestritten.

Klöpfer gibt Vinca minor noch als Bestandteil einer Tinkturenmischung gegen Gicht und Harnsäure an.

Wechselmittel: Staphisagria, Mezereum, Rhus toxicodendron und Oleander.

Angewandter Pflanzenteil:

Matthiolus, Lonicerus, Schulz, Thoms und Hager nennen das Kraut. v. Haller bezeichnet die Blätter als verwendet.

Das HAB. verwendet zur Bereitung der Essenz die frische, zu Beginn der Blüte gesammelte Pflanze ohne Wurzel.

Das „Teep“ wird aus dem frischen, zu Beginn der Blüte gesammelten Kraut hergestellt.

Sammelzeit: März bis Mai.

Herba Vincae pervincae (= minoris) ist in Frankreich offizinell.

Dosierung:

Übliche Dosis:

2-5 g des Fluidextraktes (Leclerc).

2-3 Tabletten der Frischpflanzenverreibung „Teep“ am Tage.

(Die „Teep“-Zubereitung ist auf 50% Pflanzensubstanz eingestellt, d. h. 1 Tablette enthält 0,125 g Hb. Vincae minoris.)

In der Homöopathie:

Ø-dil. D 1.

Maximaldosis:

Nicht festgesetzt.

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Inhaltsverzeichnis: Lehrbuch der biologischen Heilmittel, Gerhard Madaus (+ 1942), Ausgabe Leipzig 1938

Auf Bilder / Photos des Lehrbuches wurde wegen mangelnder Aktualität / Qualität verzichtet. Ebenso ist die Einführung in dieser Online-Version nicht vorhanden. Sie können hier ausschließlich auf die Besprechung der einzelnen Pflanzen zurückgreifen. Die Rezepturen werden in das Kompendium im Laufe der Zeit eingearbeitet. Vorhandene Fotos: Rechte beim Verlag erfragbar.

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