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Johanniskraut, Hypericaceae.

Name:

Hypéricum perforátum L. (= H. officinarum Crantz). Echtes Johanniskraut, Tüpfel-Hartheu, Sonnenwendkraut, Mannskraft, Konradskraut, Hexenkraut, Jageteufel, Herrgottsblut, Johannisblut. Französisch: Mille-pertuis, herbe aux piqûres, herbe á mille trous, herbe de Saint Jean, chasse-diable; englisch: Saint Johns wort, hardhay; italienisch: Iperico, erba di San Giovanno, pilatro, caccia diavoli, mille bucchi; dänisch: Perikum, Perikon, Johannesurt, Sankt Hans Urt; norwegisch: Perikum; polnisch: Dziurawiec; russisch: Zwieroboij; schwedisch: Johannesört; tschechisch: Třezalka tečkovaná, bylina sv. Jana; ungarisch: Orbáncfü.

© Eva Bergholz, Johanniskraut

© Eva Bergholz, Johanniskraut

Verbreitungsgebiet

Weiteres Vorkommen: Westasien, (bis zum Altai u. China) Australien, Neu Seeland, Nordafrika, Kanarische Inseln, Nord- u. Südamerika.

Namensursprung:

Hypericum ist der Pflanzenname bei Hippokrates und Plinius, bei Dioskurides !X!περιχν (hyperikón) genannt. Die Etymologie ist unklar. Perforatum = durchlöchert, in bezug auf die durchscheinend punktierten Blätter. Der deutsche Name Johanniskraut rührt daher, daß die Pflanze um Johanni in schönster Blüte steht. Hartheu kommt von den harten Stengeln, die schlechtes Heu geben.

Volkstümliche Bezeichnungen:

Das Wort „Hartheu“ liegt anscheinend in Hartenau (Nahegebiet), Hertenau (Elsaß) vor. Sehr weit verbreitet vom Norden bis nach Süden ist die Benennung Johanniskraut (im Bayrisch-österreichischen auch Honskraut, -kräutl, in der Schweiz Johannis-Chrut usw.). Löscherkraut (Schlesien), Tausendlöcherlkraut (Steiermark) wegen des durchscheinend punktierten Blattes. Die Blüten geben beim Auspressen einen roten Saft von sich: Blutkraut (in den verschiedenen mundartlichen Formen in Schleswig, im Nahegebiet, im Riesengebirge), Blutgros (Böhmerwald), Herrgottsblut (Nahegebiet, Eifel, Nassau), Christusblut (Ostpreußen), Christi Kreuzblut un Blômen (Mecklenburg), Johannisblut, -schweiß (Nordböhmen), Jesu-, Herrgottswundenkraut (Westpreußen), Färbákraut (Niederösterreich). In katholischen Gegenden gilt die Pflanze, die in der Volksmedizin gern bei Frauenkrankheiten Verwendung findet, der Mutter Gottes geweiht: Leiwefruggenbettestrauh = Liebfrauen-Bettstroh (Westfalen), Maria Bettstroh (Nordböhmen), Unserer lieben Frauen Nagei (Nelke), Morko (Margram, Majoran), -Gras, (Böhmerwald), Frauenpliester (Tirol: Pitztal). Nach der Verwendung der Pflanze gegen Frauenkrankheiten (z. B. Bleichsucht), Kreuzschmerzen, Fieber wird sie genannt: Fraue(n)kraut (Schwaben), Jumpfere(n)kraut (Elsaß), Kreuzkrottch = -kraut (Nordböhmen), Fieberkraut (Schwäbische Alb). Bezeichnungen wie Gële Dost (Göttingen), Falscher Wohlgemut (Böhmerwald) rühren wohl daher, weil das Hartheu wie der Dost zum Vertreiben von Hexenspuk benannt wurde.

Botanisches:

Die ausdauernde Pflanze mit langlebiger, spindelförmiger, reichästiger Wurzel und ästigem Erdstock erreicht eine Höhe von 20-100 cm. Der Stengel ist aufrecht, im oberen Teil ästig und stielrund mit zwei Längskanten, kahl, bereift und gegen die Spitze zu mit Drüsen besetzt. Die gegenständigen Blätter sind elliptisch-eiförmig, länglich oder lineal, ungestielt, ganzrandig, kahl, durchscheinend punktiert und meist nur am Rande mit schwarzen Drüsen besetzt. Die gelben Blüten stehen an der Spitze der oberen Äste und bilden einen ausgebreiteten ebensträußigen, trugdoldigen Blütenstand. Die Kelchblätter sind eilanzettlich bis lanzettlich, fein zugespitzt und mehr oder weniger reichlich mit hellen und schwarzen, punkt- bis strichförmigen Drüsen besetzt. Beim Zerquetschen der Blüten tritt ein blutroter Saft aus, der die Finger blauviolett färbt, was zu vielen Sagen und mystischen Anwendungen Anlaß gegeben hat Die schief-elliptischen Kronenblätter sind goldgelb mit schwarzen Punkten und helleren oder dunkleren Strichen auf der Fläche. Die zahlreichen (50-100) Staubgefäße stehen in drei Bündeln. Fruchtknoten breit- bis schmal-eiförmig mit drei langen Griffeln. Das Johanniskraut ist verbreitet und häufig im ganzen Gebiete auf meist ziemlich trockenen Kalk- oder Urgesteinsböden, auf trockenen, sonnigen Grasplätzen, auf Hügeln und Bergen, auf Mauern und an Wegen. Blütezeit: Juli bis September.

Geschichtliches und Allgemeines:

Das Hypericum perforatum gehört zu den Pflanzen, die vom frühen Altertum an sich großer Beliebtheit in der Heilkunde erfreuen. Schon Dioskurides weiß von 4 verschiedenen Hypericumarten zu berichten, die er „hyperikon, askyron, androsomon und koris“ nennt. Nach Fraas soll das „askyron“ mit unserem Hypericum perforatum identisch sein. Dioskurides empfiehlt die Frucht, mit Honigwasser getrunken, gegen Ischias und als Umschlag gegen Brandwunden. In den Kräuterbüchern des Mittelalters findet man die Pflanze überall mehr oder weniger eingehend beschrieben. Nach Konrad von Megenberg (14. Jahrhundert) kräftigt sie Herz und Leber, reinigt die Nieren, heilt Geschwüre und zieht Gift aus. Außerdem wurde sie als Wurm- und Wundmittel verwendet. Die Tatarinnen sollen auch heute noch die Abkochung des Krautes gegen Uterusblutungen trinken. Im Volksglauben hat das Johanniskraut als Mittel gegen Zauberei und die Anfechtungen des Teufels eine große Rolle gespielt. Um Käse vor Würmern zu schützen, legte man das Johanniskraut daneben.

Wirkung

Als kühlendes, entzündungswidriges Mittel und zur Behandlung innerer Eiterungen und Lungenerkrankungen wurde das Johanniskraut schon von Hippokrates angewandt.

Begeisterte Anerkennung findet es bei Paracelsus der es gegen „tolle Phantasien“, äußerlich als schmerzlinderndes Mittel und bei Würmern, Kontrakturen, Quetschungen, namentlich aber bei Wunden empfiehlt und von ihm schreibt: „Seine Tugend kann gar nicht beschrieben werden, wie groß sie eigentlich ist und gemacht werden kann … Es ist nicht möglich, daß eine bessere Arznei für Wunden in allen Ländern gefunden wird.“

Bock und Matthiolus schildern Hypericum als blutstillend, wundheilend, diuretisch und emmenagog, wirksam bei Ischias, Apoplexie, Tertiär- und Quartanfieber, letzterer rühmt es auch gegen Blasensteine, Bauchflüsse, Folgen von überheben, äußerlich als heilsam bei Brand und Geschwüren.

Die genannten Anwendungsweisen sind auch Weinmann bekannt, der es hauptsächlich als Wundkraut rühmt, falls auch Nervenverletzungen vorliegen. Auch „stärcket es das sämtliche Nerven-Werck“.

v. Haller zählt das Johanniskraut zu den Wundkräutern und schreibt ihm diuretische, emmenagoge und wurmtreibende Kraft zu. Die Blüten werden nach ihm in Wund- und Blutreinigungstees, äußerlich zu zerteilenden und heilenden Umschlägen verordnet, der Extrakt gegen Blutspeien und die Essenz als innerliches Wundmittel wie auch gegen Melancholie.

Als „ehedem sehr berühmtes Wundmittel“ bezeichnet Hecker die Pflanze, die man bei Ruhren, Blutflüssen, inneren Geschwüren, Lungensucht, Entzündungen und Rheumatismen, Melancholie und Manie und als die geronnenen Säfte auflösendes Mittel verordnet habe.

In neuerer Zeit setzen sich wieder einige Ärzte für die Anwendung des Johanniskrautes ein, so Bohn, der es als ein ausgesprochenes Nervenmittel bezeichnet, das bei hysterischem Nachtwandeln, Somnambulismus, Kopfschmerzen, Enuresis nocturna, Verletzungen der Nerven, auch bei Ikterus und Blähungen heilkräftig sei, und

Leclerc, der es namentlich bei Brandwunden anwendet.

Nach Kneipp stellt man sich einen guten Balsam bei Anschwellungen, Hexenschuß, Gicht und Verrenkungen her, indem man frische Blüten in Olivenöl in die Sonne oder in die Nähe des Ofens stellt. Nach sechs Wochen ist der Auszug fertig. Bei Leibschmerzen nimmt man davon 6-8 Tropfen auf Zucker. Dieser Balsam hält sich etwa zwei Jahre. Der Teeaufguß wirkt nach ihm auf die Leber, bei leichten Verschleimungen von Brust und Lunge, Magendrücken und bei Bettnässen.

Die deutsche Volksmedizin schätzt das Johanniskraut als Mittel, das die Menstruation wieder hervorruft und krankhafte Uterusaffektionen behebt; auch gegen Trigeminusneuralgie, Katarrhe der Bronchial- und Magenschleimhaut und gegen Enuresis der Kinder soll es hilfreich sein.

E. Meyer sah bei der volkstümlichen Anwendung gegen Gesichtsneuralgie keine Vorteile.

Eine sehr ausgedehnte Verwendung fand das Johanniskraut auch nach W. Demitsch beim russischen Volk, wie aus dem nach ihm zitierten folgenden Abschnitt ersichtlich ist.

„Pallas erwähnt das Durchlöcherte Johanniskraut als ein von den Moschanen gegen verschiedene Schmerzen angewandtes Mittel. – In Kleinrußland wird ein Infus der ganzen Pflanze bei Hämorrhoiden getrunken (M. Bulgakow, Medicin.-topographische Beschreibung der Kreise Tschernigow, Gorodnja und Sossnitza. Militär-Medic. Journal 1827, Teil IX, Nr. 2, S. 275 ff.). – Da es Öl und Branntwein rot färbt, so gebrauchen es die Esten in einem Bierabsud bei allerlei Menstruationsanomalien; als Tee bei „Lungensuchten“ und innerlichen Geschwüren; die Blüten mit Branntwein infundiert gegen die rote Ruhr; Kraut und Blüten zu Umschlägen bei Wunden, Quetschungen und Brandschäden (J. W. L. v. Luce, Heilmittel der Esten auf der Insel Ösel. Pernau 1829, S. 64). – Im Gouvernement Twer ist Hypericum perf. oft ein Bestandteil des Brust- und schweißtreibenden Tees. (K. Puparew, Volkstümliche Pflanzennamen im Gouvernement Twer, gesammelt im Jahre 1868, mit Hinweisung auf die Krankheiten, gegen die sie vom Volke gebraucht werden. Twersche Gouvernements-Zeitung 1869). – Im Gouvernement Perm wird die blütentragende Pflanze als eine Abkochung bei Schmerzen, die durch Fall, Stoß und dergleichen entstanden, ferner bei Rückenschmerzen gebraucht (P. Krylow, Als Volksheilmittel gebräuchliche Pflanzen im Gouvernement Perm. Arbeiten der Naturforscher-Gesellschaft bei der Universität Kasan, Bd. V, Heft II. Kasan 1876, S. 97). – Die Tartarinnen trinken eine Abkochung davon bei Uterinblutungen (Sljunin, Materialien zum Studium der russischen Volksmedicin. Lief. I, St. Petersburg 1882, S. 29). – Im Gouvernement Mohilew wird ein Branntweinaufguß gegen Bauchschmerzen und Durchfälle, ein wäßriger Infus bei Brustkrankheiten, Skrofulose, blutiger Diarrhöe und verschiedenen Blutungen innerlich und gegen Rheumatismus und Krätze äußerlich angewandt (Tscholowski, Entwurf der Flora des Gouvernements Mohilew, in Dembowetzkis „Versuch einer Beschreibung des Gouvernements Mohilew“. Mohilew 1882, S. 396 ff.) – Nach Falk (Beiträge zur topographischen Kenntnis des russischen Reichs. St. Petersburg 1785-1786, S. 230) ist die Pflanze ein allgemein gebräuchliches Hausmittel gegen Blutungen. – Fast überall in Rußland bereiten die Bauern aus den Blüten des Johanniskrautes eine Branntweintinktur, etwa 2-3 Hände auf eine Bierflasche. Diese rote Flüssigkeit wird bei Schwindsucht und vielen anderen Krankheiten spitzgläschenweise getrunken, selbst bei Hämorrhoiden und Cholera (Romanowski, Anti-Cholera-Volksmittel. Wratsch 1885, Nr. 23). – In der Ukraine bedient man sich eines Blütenaufgusses bei Husten, Atem- und Magenbeschwerden. Die Samen mit Hanföl infundiert, wendet man als Einreibung bei Rheumatismus an (K. S. Gornitzki, Bemerkungen über einige wildwachsende und angebaute Pflanzen der Ukraine-Flora, die als Volksheilmittel im Gebrauche sind. Charkow 1887, S. 87-88). – Bei Lähmungen macht man Kataplasmen aus der Pflanze, freilich unter Zusatz anderer Pflanzen. Um schnelle Verheilung der Wunden zu erzielen, legt man auf dieselben die Blätter und Blüten von Hypericum entweder als Aufguß oder als Salbe (R. Krebel, Volksmedicin und Volksmittel verschiedener Völkerstämme Rußlands. Skizzen. Leipzig und Heidelberg 1858. S. 150 und 174). – In Kleinrußland wird ein Aufguß der Pflanze bei blutiger Diarrhöe ganz allgemein getrunken (Semski Wratsch 1888, Nr. 22). – Endlich ist zu bemerken, daß die Pflanze nach G. Rein bei Blutungen während und nach der Geburt innerlich von den weisen Frauen (powituchi) verordnet wird.“

In der Homöopathie wird das Johanniskraut häufig bei Nervenschädigungen durch Trauma oder durch Anämie oder geistige Überanstrengung gebraucht. So bezeichnet es z. B. auch Donner als Hauptmittel bei Nervenverletzungen, besonders bei Verletzungen des Rückenmarks ohne demonstrable Pathologie.

Bei Weidevieh verursacht der Genuß von Hypericum Hautkrankheiten, die sich durch Erytheme, Ulzerationen und Nekrosen der unpigmentierten Hautstellen äußern und nur bei Bestrahlung mit Sonnenlicht auftreten, so daß man von einer photosensibilisierenden Wirkung der Pflanze sprechen kann.

In Tarentino fiel bei weißen Schafen, die Hypericum crispum gefressen hatten, die Wolle aus, der Kopf schwoll an und der Tod trat nach drei Wochen ein, schwarze Schafe zeigten sich dagegen immun. Bei Pferden, die das Heu von Hypericum perforatum gefressen hatten, färbte sich am anderen Tage die Oberlippe weiß und schwoll plötzlich an (sogenannter Hautbrand). W. Hausmann und F. Sarabnicky schlagen für diese Krankheit die Bezeichnung „Hartheukrankheit, Hypericismus“ vor. Man ist der Meinung, daß vor allem die stark fluoreszierenden Farbstoffe der Hypericumarten, insbesondere das von Cerny aus den Blüten kristallisiert erhaltene, stark rot fluoreszierende Hypericin die Krankheit verursache. Der methylalkoholische Auszug jener Blüten wirkte – nach Entgiften der darin offenbar enthaltenen Saponine durch Cholesterin – stark photodynamisch auf Erythrozyten.

Horsley gelang es, diese photosensibilisierende Wirkung experimentell zu bestätigen und als Ursache den gelben Farbstoff Hypericin zu ermitteln. Die Lichtempfindlichkeit und die nach Sonnenbestrahlung auftretenden Hauterscheinungen der Versuchstiere wurden erheblich gesteigert, wenn man dem Hypericin das an sich unwirksame, aus Hypericum isolierte Wachs zufügt. (Wichtigkeit der Ballaststoffe! Verf.)

Außer dem Hypericin enthält das blühende Johanniskraut u. a. ätherisches Öl mit Pinen, Gerbstoffe, Invertzucker und Cerylalkohol.

Hinsichtlich der Erhaltung der Fermente in Zubereitungen aus Hypericum perforatum wurde festgestellt, daß die Peroxydase im „Teep“-Präparat erhalten geblieben war, während sie in der homöopathischen Tinktur nicht nachweisbar war.

Wenn man Hypericumöl verordnet, so schreibe man Ol. Hyperici verum auf, da zeitweilig mit Alkannin rot gefärbte Öle als Fälschungen im Handel waren. Das echte Oleum Hyperici wird aus den frischen Blüten hergestellt.

Verwendung in der Volksmedizin außerhalb des Deutschen Reiches (nach persönlichen Mitteilungen):

Dänemark: Gegen Hämoptoe, Gliederschmerzen und Würmer, als magenstärkendes Mittel; äußerlich das Öl auf Wunden.

Norwegen: Gegen Harnbeschwerden, Steinschmerzen, Kolik, Kardialgie, Dysmenorrhöe; äußerlich als blutstillendes und vernarbendes Wundheilmittel (I. R.-K.).

Polen: Als Wundmittel und Metabolikum.

Ungarn: Gegen Epilepsie, Vergiftungen, Hämoptoe, Brennwunden und als Wurmmittel.

Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:

Hypericum wird als „Arnica der Nerven“ bei Schädigungen der Nervensubstanz durch Traumata und infolge Anämie und geistiger Anstrengung angewandt. Man verordnet es innerlich und äußerlich (als Öl) sehr häufig bei Stich – und Schnittwunden, Kontusionen, Wund- und Narbenschmerzen nach Operationen besonders nach Laparotomien und in nervenreichen Gebieten und bei Neurofibromatosis; weiter bei Neuralgien (Trigeminusneuralgie, Migräne, Ischias, Steißbeinneuralgie), Herzneurosen, Neurasthenie, auch mit Drüsenstörungen, Hysterie, allgemeiner Unruhe, Schlaflosigkeit, Commotio cerebri, Rückenmarksaffektionen, traumatischer Epilepsie, Tetanus und anderen spastischen Erscheinungen. Bei Krämpfen und Zyanose der Neugeborenen läßt Pahnke, Berlin, Hypericum mit Arnica wechseln.

Sehr gelobt wird das Johanniskraut von Kleine, Wuppertal, bei Lähmungen infolge von Hirn- und Rückenmarkserschütterungen. So konnte er z. B. einen Kriegsteilnehmer, der in seiner vollen Ausrüstung vom Eisenbahnwagen abgesprungen war und eine für hoffnungslos gehaltene Lähmung beider Beine davongetragen hatte, wieder heilen. Zuerst kam die Sensibilität und dann die Bewegung der Beinmuskeln wieder.

Oft bewährt hat sich Hypericum bei Erschlaffung der Harnorgane, insbesondere bei Enuresis (hier wird ein Teegemisch mit Equisetum empfohlen), seltener bei Blasenkatarrh und -krampf.

Auch auf dem Gebiete der Gynäkologie ist Hypericum ein beachtliches Mittel (Kißner, Berlin, nennt es ein ganz großes Frauenmittel für Unterleib und Nerven), das sich bei Regelstörungen, Dysmenorrhöe, Endometritis und Gebärmutterkrämpfen bewährt. Bei klimakterischen Blutungen ist ein Wechsel mit Viscum album indiziert.

Gegenüber den genannten Indikationen treten die anderen, die sich auf die Erkrankungen der Respirationsorgane (hier werden hauptsächlich Verschleimungen genannt), auf Leber (nach Reuter, Greiz, auch bei Gallensteinen) und Magen (blutige Diarrhöen, kolikartige Schmerzen), Gicht und Rheuma beziehen, zurück. Bei Ulcus ventriculi und duodeni gibt Wesenberg das Blütenöl.

Schließlich ist das Öl noch äußerlich außer bei den schon erwähnten Affektionen bei Verbrennungen, juckenden und schlecht heilenden Wunden, Ulcus cruris, Sonnenbrand (hier auch als Salbe), Rheuma, Gicht, Lumbago, Verrenkungen und Anschwellungen und bei Hämorrhoiden ein beliebtes Mittel.

Als Wechselmittel bei Nervenverletzungen, insbesondere nach Operationen, leistet Arnica gute Dienste. Bei anderen Nervenleiden sind u. a. Rosmarinus, Valeriana, Betonica und Lupulinum zu nennen.

Angewandter Pflanzenteil:

Es sind nur wieder die alten Schriftsteller, die Blüten, Kraut und Samen getrennt in ihren Wirkungen angeben und anwenden lassen. In der neueren Literatur wird nur die frische blühende Pflanze zur Verwendung empfohlen.

Die ganze frische, zur Zeit der Blüte gesammelte Pflanze mit Wurzel läßt auch das HAB. zur Herstellung der Essenz verwenden (§ 3). Das gleiche Material wird zur Bereitung des „Teep“ benutzt.

Dosierung:

Übliche Dosis:

10-15 Tropfen der Tinktur zwei- bis dreimal täglich (Dinand);

2-3 Teelöffel voll (= 4,6-6,9 g) zum heißen Infus täglich. 1/2 Teelöffel voll der Frischpflanzenverreibung „Teep“ zweimal täglich.

(Die „Teep“-Zubereitung ist auf 50% Pflanzensubstanz eingestellt.)

In der Homöopathie:

Ø bis dil. D 1.

Maximaldosis

Nicht festgesetzt.

Rezepte:

Bei Menstruationsstörungen (nach Kißner):

Rp.:

Hb. Hyperici (= Johanniskraut)

Visc. albi  aa 50 (= Mistel)

D.s.: 2 Teelöffel auf 2 Glas Wasser

vgl. Zubereitung von Teemischungen S. 291.

Rezepturpreis ad chart. etwa -.77 RM.

Bei Magenneurose und blutiger Diarrhöe (nach Fischer):

Rp.:

Hb. Hyperici (= Johanniskraut)

Hb. Millefolii  aa 25 (= Schafgarbenkraut)

M.f. species. 3 Teelöffel auf 2 Glas Wasser

vgl. Zubereitung von Teemischungen S. 291.

Rezepturpreis ad chart. etwa -.52 RM.

Bei Enuresis (nach Peyer):

Rp.:

Cort. Quercus (= Eichenrinde)

Catechu (= Katechu)

Flor. Chamomillae  aa 10 (= Kamillenblüten)

Fol. Uvae ursi (= Bärentraubenblätter)

Hb. Hyperici  aa 5 (= Johanniskraut)

Hb. Agrimoniae (= Odermennigkraut)

Rhiz. Tormentillae  aa 15 (= Tormentillwurzel)

M.f. species.

D.s.: Zubereitungsvorschlag des Verfassers: 2 Teelöffel voll auf 2 Glas Wasser

vgl. Zubereitung von Teemischungen S. 291.

Rezepturpreis ad chart. etwa 1.23 RM.

Oder (nach Tschirner):

Rp.:

Hb. Hyperici (= Johanniskraut)

Hb. Equiseti  aa 25 (= Schachtelhalmkraut)

M.f. species. D.s.: 2 Teelöffel auf 2 Glas Wasser

vgl. Zubereitung von Teemischungen S. 291.

Rezepturpreis ad chart. etwa -.52 RM.

Als Nervinum und bei Schlaflosigkeit:

Rp.:

Hb. Hyperici perfol. conc. 50 (= Johanniskraut)

D.s.: 2 Teelöffel voll zum heißen Infus mit 2 Glas Wasser, tagsüber zu trinken

Preis nach Arzneitaxe 10 g -.05 RM, 100 g -.30 RM.

Oder (nach Rose):

Rp.:

Rad. Valerianae (= Baldrianwurzel)

Hb. Hyperici  aa 25 (= Johanniskraut)

Strobuli Lupuli (= Hopfen-Fruchtzapfen)

Hb. Betonicae (= Heilziestkraut)

Flor. Primulae (= Primelblüten)

Flor. Lavandulae (= Lavendelblüten)

Rad. Gei urbani  aa 10 (= Nelkenwurz)

M.f. species.

D.s.: 1 1/2 Teelöffel auf 2 Glas Wasser

vgl. Zubereitung von Teemischungen S. 291.

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Inhaltsverzeichnis: Lehrbuch der biologischen Heilmittel, Gerhard Madaus (+ 1942), Ausgabe Leipzig 1938
Auf Bilder / Photos des Lehrbuches wurde wegen mangelnder Aktualität / Qualität verzichtet. Ebenso ist die Einführung in dieser Online-Version nicht vorhanden. Sie können hier ausschließlich auf die Besprechung der einzelnen Pflanzen zurückgreifen. Die Rezepturen werden in das Kompendium im Laufe der Zeit eingearbeitet. Vorhandene Fotos: Rechte beim Verlag erfragbar.

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