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Keuschlamm, Verbenaceae.

Name:

Vitex agnus castus L. Mönchspfeffer, Keuschstrauch, Abrahamsstrauch. Französisch: Gattilier, agneau chaste, petit poivre; englisch: Chaste tree; italienisch: Agnocasto, vitice; dänisch: Abrahamsträ; tschechisch: Drmek obecný; ungarisch: Barátcserje.

Verbreitungsgebiet

Weiteres Vorkommen: Zentralasien.

Namensursprung:

Der von Dioskurides verwendete Name άγνς (agnós) = keusch, rein wird von ihm von α (a) = weg und γνος (gónos) = Nachkommenschaft abgeleitet, also jedenfalls in Zusammenhang mit der weitverbreiteten Ansicht einer anaphroditischen Wirkung gebracht. Auf dieselbe Wirkung weist das lateinische castus = keusch hin. Unrichtig ist wohl ein Zusammenhang mit lateinisch agnus = Lamm.

Botanisches:

Der 2-4 m hohe Strauch mit hellbraunen, zunächst filzigen Zweigen ist im Mittelmeergebiet, in der Krim und in Zentralasien beheimatet, wo er in Bachbetten und an Flußufern der Ebene und an der Küste wächst. Er wird aber auch vielfach als Kulturpflanze im Freiland und in Kübeln gehalten. Er trägt kreuzweise gegenständige, handförmig fünfbis siebenzählig geteilte Laubblätter und kleine violette, blaue, rosa oder weiße Blüten in dichten, endständigen Blütenständen. Die pfefferkorngroße, dunkelbraun bis schwarze Frucht ist eine viersamige Steinbeere mit pfefferartigem Geruch und Geschmack. – Beachtenswert ist, daß Agnus castus erst nach dem im Hochsommer eintretenden Nahrungsmangel blüht und fruchtet.

Geschichtliches und Allgemeines:

Der Vitex agnus castus wurde schon im Altertum ungemein hoch geschätzt. Pausanias erzählt von einem Tempel des Gottes Äskulap, in dem die Statue des Gottes aus dem Holze des Vitex gefertigt worden war, um so dessen große Heilkräfte anzudeuten. Der Strauch, den Homer λγος (lýgos) = biegsamer Zweig nannte, und der allgemein als Sinnbild der Keuschheit galt, wird von Hippokrates, Plinius, Dioskurides, Galenus u. a. erwähnt. Nach Dioskurides hat der Same eine erwärmende, zusammenziehende Kraft. Die Frucht sei gut gegen den Biß wilder Tiere und für Milz- und Wassersüchtige. Sie greife aber den Kopf an und verursache Schwindel. Die Abkochung des Samens und des Krautes helfe in Sitzbädern bei Gebärmutterkrankheiten und Entzündungen. Ein Vorbeugungsmittel gegen den Wolf auf Wanderungen sei es, wenn man einen Zweig davon in der Hand trüge. – Bei den Thesmophorien, einem Feste zu Ehren der Demeter, schmückten sich die Frauen, die ihre Keuschheit bewahrten, mit den Blüten des Strauches und benutzten ihn als Lager. In Italien werden auch heute noch die Wege zum Kloster für die Novizen mit den Blüten bestreut.

Die Früchte dienen im Süden, wie früher auch bei uns, als Pfefferersatz; die scharfen Blätter wurden dagegen dem Biere statt Hopfen zugesetzt.

Wirkung

Bereits von Hippokrates wird Agnus castus als Mittel gegen Verletzungen, Entzündungen und Milzschwellung erwähnt. Erwärmende und zusammenziehende Wirkung schreibt Lonicerus der „Schaafmülle“ zu, deren Beeren und Blätter er als Anaphrodisiakum, Emmenagogum, Karminativum, Galaktagogum, gegen Wassersucht, Leber- und Milzsucht empfiehlt. Äußerlich läßt er die Blätter, in Wein gekocht, gegen Mund- und Zahngeschwüre, Rhagaden und Entzündungen der Genitalien anwenden. In zu großen Gaben sollen sie „das Haupt schwächen“ und einschläfern.

Matthiolus gibt die gleichen Indikationen an, hebt aber besonders Unkeuschheit hervor und verordnet Agnus castus zusammen mit Seeblumenwasser (Nuphar lut.) gegen Gonorrhöe.

Johnson rühmt es als leber- und milzreinigend, dienlich gegen Schwellungen der Genitalien, Schmerzen und Entzündung des Uterus und Kopfschmerzen.

v. Haller nennt gleichfalls Gonorrhöe und Unkeuschheit als Hauptindikationen von Agnus castus.

Bei den Ärzten des 19. und 20. Jahrhunderts ist Keuschlamm in Vergessenheit geraten, und nur die Homöopathie macht von seinen Heilkräften als Aphrodisiakum und bei Erschlaffung des Sexualapparates (hier in höheren Verdünnungen) Gebrauch.

Will man Agnus castus mit Hormonen vergleichen, so scheint es eine starke Corpus-luteum-ähnliche Wirkung zu besitzen. In Versuchen an weiblichen Ratten wurde eine starke Östrusverzögerung beobachtet, während am Uterus makroskopisch keine Veränderungen zu erkennen waren. Geprüft wurde die Wirkung von Samen, Rinde und Blättern. Am schwächsten wirken die Blätter, am stärksten die Samen. Die Wirkung zeigt sich sowohl beim Verfüttern als auch nach Injektion. Bei täglichen peroralen Dosen von 0,5-1 g von Samen und Rinde zeigte sich als Durchschnittsergebnis von sieben größeren Versuchsreihen, gemessen an der Zahl der Schollentage (östrus) auf den Monat, eine Abnahme von 20,9%. Bei geringen Dosen (0,075 g) nahm die Zahl der Schollentage weniger ab. Von allen bisher untersuchten Pflanzen übt Agnus castus den stärksten verzögernden Einfluß auf die Menstruation aus. Ein gutes Gegenmittel scheint Rosmarin zu sein. Die Frage, ob es sich bei dieser Pflanze um eine Corpus-luteum-hormonhaltige Pflanze oder um eine Pflanze handelt, die die Corpus-luteum-Hormonbildung anregt, wird von mir noch in weiteren Versuchen geprüft. Die Fortpflanzung wurde durch das Mittel in keiner Weise nachteilig beeinflußt. Die bei den Tieren beobachtete verzögernde Einwirkung auf den Östrus fand ich auch bei Frauen bestätigt, wie folgende Beobachtungen zeigen:

1. H. B., Frl., 30 Jahre. Menstruation sonst regelmäßig, aber schwach. Bekam Agnus castus „Teep“ D 1, am ersten Tage 20 Tabletten, am zweiten Tage 8 Tabletten, im ganzen 28 Tabletten zwei Tage vor der zu erwartenden Periode. Diese verzögerte sich um fünf Tage. Da die Frau sich sehr besorgt zeigte und dringend nach einem Mittel verlangte, das die Periode herbeiführte, bekam sie Rosmarinus „Teep“ 0 dreimal 1 Kapsel. Weiter erhielt sie dreimal 1 Tablette Pulsatilla D 1. Mit den üblichen Rückenschmerzen kam die Periode wieder.

2. B., Frl., 23 Jahre. Periode immer regelmäßig. Nach 8 Tabletten Agnus castus „Teep“ D 1 zwei Tage verzögert. Ohne größere Beschwerden stellte sich die Periode wieder ein.

3. G., Frl. Periode regelmäßig. Bekam Agnus castus „Teep“ D 1, 5 Tabletten auf einmal. Am 27. 3. wäre die Periode fällig gewesen, am 30. 4. noch nicht da. Die Frau erhielt Rosmarin. „Teep“ 0 2 Tabletten, weiterhin am 4. 5. Sabina „Teep“ D 1. Auch dann noch weiteres Ausbleiben der Periode, die erst nach vier Wochen spontan wieder auftrat.

4. L., Frau. Regelmäßige, aber stets lange Periode. Nach Agnus castus „Teep“ D 1 8 Tabletten blieb die Periode aus, kam aber nach vier Tagen von selbst wieder. Danach verringerte sich später die Dauer der Periode.

5. L., Frl., 21 Jahre. Regelmäßige Periode. Nach Einnahme von 10 Tabletten Agnus castus „Teep“ D 1 verzögerte sich der Eintritt um 2 1/2 Tage. Die Periode kam ohne Rückenschmerzen wieder.

Die Wirkung der Blätter beruht vorwiegend auf ihrem Gehalt an ätherischem Öl mit Cineol, die der Früchte auch auf ihrem ätherischen Ölbestandteil. Nach älteren Angaben sollen sie auch alkaloidähnliches „Castin“ und „Viticin“ enthalten.

Verwendung in der Volksmedizin außerhalb des Deutschen Reiches (nach persönlichen Mitteilungen):

Ungarn: Bei Unterleibsleiden, Menstruationsanomalien und als Galaktagogum.

Anwendung in der Praxis auf Grund der Literatur und einer Rundfrage:

Agnus castus wird verordnet bei Störungen der Geschlechtsfunktionen. Die Impotenz wird mit starken Dosen erhöht, mit schwachen behoben. (Daraus erklären sich wohl auch die gelegentlichen Versager.) Man gibt das Mittel bei Spermatorrhöe, Prostatitis, Orchitis, Pollutionen, sexueller Neurasthenie, die sich z. B. in Hypochondrie, Schlafsucht, Kopfschwindel und Gehörverminderung mit Brausen äußert. Verwendet wird es auch bei Sterilität der Frauen, Milchmangel der Wöchnerinnen, bei Amenorrhöe mit Uteruskongestionen und -schmerzen, Schwellung und Reizung der Ovarien, auch mit peritonealen Symptomen. Ferner leistet es gute Dienste bei Schwellungen der Milz und der Drüsen, besonders der Mandeln, bei Skrofeln, Drüsenunterfunktion und thyreotoxischen Zuständen. Taller, Ronsperg, hatte guten Erfolg „bei entzündlichen Schwellungen der Prostata und der regionären Lymphdrüsen auch auf tuberkulöser Grundlage. Die dadurch bedingten Hämorrhoidalbeschwerden gingen rasch zurück.“ Eine septische Gesichtsrose mit großen schwarzen Blasen mit schwarzer Flüssigkeit wurde von Schönig, Berlin, mit Agnus castus im Wechsel mit Ignatia D 3 stündlich 5-8 Tropfen in 14 Tagen geheilt. In zwei Zuschriften wurde darauf hingewiesen, daß das Mittel bei chronisch gewordener Verrenkung (in einem Falle des Oberarmes) wirksam sei.

Angewandter Pflanzenteil:

Dioskurides empfiehlt in erster Linie die Samen.

Hippokrates gebrauchte Samen und Blätter.

Lonicerus nennt Samen und Blätter unter gleichen Indikationen.

Matthiolus bringt hauptsächlich die Anwendung der Samen, daneben auch die der Blätter als Antiaphrodisiakum und zur äußerlichen Anwendung.

Johnson empfiehlt Blätter und Samen.

Nach v. Haller wurden die Samen mehr als die Blätter gebraucht.

Zur Herstellung der Präparate eignen sich besonders die frischen, im Herbst geernteten Früchte, da die Untersuchungen ergaben, daß diese eine stärkere Wirkung als die Blätter ausüben. Demgemäß wird auch das „Teep“ aus den frischen Früchten hergestellt. Homöopathische Tinktur nach dem HAB.: Getrocknete, reife Früchte (§ 4).

Dosierung:

Übliche Dosis:

1 Tablette der Frischpflanzenverreibung „Teep“ dreimal täglich.

(Die „Teep“-Zubereitung ist auf 50% Pflanzensubstanz eingestellt, d. h. 1 Tablette enthält 0,125 g Sem. Agni casti.)

In der Homöopathie:

dil. D 2-3, dreimal täglich 10 Tropfen.

Maximaldosis:

Nicht festgesetzt.

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Inhaltsverzeichnis: Lehrbuch der biologischen Heilmittel, Gerhard Madaus (+ 1942), Ausgabe Leipzig 1938
Auf Bilder / Photos des Lehrbuches wurde wegen mangelnder Aktualität / Qualität verzichtet. Ebenso ist die Einführung in dieser Online-Version nicht vorhanden. Sie können hier ausschließlich auf die Besprechung der einzelnen Pflanzen zurückgreifen. Die Rezepturen werden in das Kompendium im Laufe der Zeit eingearbeitet. Vorhandene Fotos: Rechte beim Verlag erfragbar.

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